Open Source Schulbücher

Auf dem Hyperland Blog des ZDF fand ich heute einen Artikel darüber, wie die Debatte um den Schultrojaner neue Ideen zum Umgang mit Unterrichtsmaterial aufwirft. Interessanterweise hatte ich vor ein paar Tagen mit zwei Mitarbeitern einer großen Hard- und Softwarefirma ein ganz ähnliches Gespräch, in dem ich von dem norwegischen Ansatz erfuhr. Die staatlichen Behörden Norwegens haben sich offensichtlich vor einiger Zeit direkt an die Autorinnen und Autoren von Unterrichtsmaterial gewandt und diese gefragt, ob sie nicht bereit wären, für das doppelte Gehalt lizenzfreie (gemeinfreie?) Unterrichtsmaterialien für die staatlichen Schulen zu erstellen. Das gute an diesem Ansatz ist erstens: es musste kein einziges Gesetz bezüglich des Urheberrechts geändert werden und zweitens musste kein einziger Verlag angeschrieben werden, in wie weit eine digitale Mediennutzung seiner Materialien erlaubt sei.

Eine solche Lösung möchte ich mit Nachdruck für Deutschland befürworten! Sie könnte die Lösung im Urheberrechtsstreit bei der Mediennutzung in der Schule bedeuten und eine friedliche Koexistenz einerseits der Schulbuchverlage mit den von ihnen kontrollierten Lizenzen und andererseits staatlicher, gemeinfreier Unterrichtswerke bedeuten. Ansätze dazu sind bereits in Deutschland im Entstehen, ich verweise nur auf das gerade gestartete Open Government Projekt der Bundesregierung.

Dass das Schulbuch in seiner jetzigen Form überholt wird, zeigt sowohl David Pachali vom Hyperland Blog des ZDF, als auch die aktuelle Entwicklung in einigen Bundesländern. So fordert Hamburg schon seit längerem den individualisierten Unterricht, bei dem der jeweilige Lernstand und der Lerntyp der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden muss. Ein Schulbuch kann dies nur bedingt leisten, vielmehr bräuchte man eine Datenbank von Unterrichtsmaterialien, aus der die Lehrerinnen und Lehrer ihre Unterrichtseinheit für ihre Lerngruppe zusammenstellen.

Solche Datenbanken stellen sich meine Kolleginnen und Kollegen im Moment jedoch alle selbst zusammen. Sie sammeln Materialien aus Büchern, Schulbüchern, CDs, benutzen verschiedene Internetquellen und gestalten eigene Aufgabenformate, die sie für ihre Lerngruppe passgenau zuschneiden. Rechtlich gesehen, sind sie bei Schulbüchern als Quelle leider auf eine analoge Verarbeitung mit Schere und Klebstoff beschränkt, da der „Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG“ ihnen verbietet, Abbildungen und Texte aus Schulbüchern einzuscannen. Das wäre für den einzelnen Pädagogen noch kein besonders großer Nachteil, jedoch lässt sich solches zusammengestellte Material analog nicht so einfach weiterverbreiten wie digital. Hier liegt m.E. das größte Problem des Gesamtvertrags, dass Lehrerinnen und Lehrer untereinander ihr Material nicht einfach austauschen dürfen, so lange sie Materialien aus Schulbüchern benutzen.

Was man also braucht, ist eine Alternative zum Schulbuch als gute Zusammenstellung für den Unterricht geeigneter Texte und Abbildungen. Darüber hinaus sollte man für den mit einem interaktiven Whiteboard ausgestatteten Klassenraum unbedingt noch Töne, Animationen und Filmclips sammeln, so dass der Unterricht lebendiger und anschaulicher wird.

Also, liebe Behörden und Staatsräte, warum nicht überlegen, ob man von dem Geld, welches man Jahr für Jahr für Schulbücher ausgibt, nicht direkt die Autoren bezahlt, damit diese lizenzfreie Unterrichtsmaterialien erstellen, welches anschließend im Rahmen des Open Government Programms der Bundesregierung als gut verschlagwortete Datenbank zur Verfügung gestellt wird?

Ich wäre dabei, sämtliches von mir erstelltes Material stelle ich gerne zur Verfügung!

Wenn Sie, liebe Leserin / lieber Leser, auch Materialien zur Verfügung stellen wollen, hinterlassen Sie bitte einen Kommentar.

Vorsicht beim Kopieren und Einscannen!

Der folgende Beitrag stellt ausschließlich meine persönliche Meinung dar. Ich vertrete nicht die Meinung irgendwelcher Institutionen oder Dritter.

Gerade habe ich durch eine Pressemitteilung erfahren, dass die Verwertungsgesellschaften mit den Ländern einen Vertrag geschlossen haben, der die Länder dazu zwingt, Schulcomputer mit einer von den Verwertungsgesellschaft entworfenen „Plagiatssoftware“ zu scannen, ob auf den Rechnern illegale Kopien gespeichert sind. Jährlich sollen dies mindestens 1% der Schulcomputer sein (siehe Vertrag §6, Abs. 4).

Zwar begrüße ich die Novellierung, dass zukünftig aus Schulbüchern im selben Umfang wie aus anderen Werken auch kopiert werden darf (Vgl. S. §53 UrhG), jedoch muss man sich fragen, ob dieser Vertrag nicht nur für die Verwertungsgesellschaften, sondern auch für die Seite der Länder einen Gewinn darstellt. Kaum eine Lehrerin oder ein Lehrer fertigen heute noch analoge Kopien aus Büchern an. Die meisten, die ich kenne, wollen Teile eines Werkes in ihre eigenen Arbeitsblätter integrieren. Diese legen sie jedoch nur noch digital ab, Zettelsammlungen und Ordner gehören der Vergangenheit an. Aus diesem Grund würden die Kolleginnen und Kollegen gerne den Scanner statt Kopierer benutzen. Das vertraglich gesicherte Zugeständnis der Verwertungsgesellschaften, dass aus Schulbüchern zukünftig also die bislang geltende Sonderregelung zum Kopieren wegfällt, stellt in meinen Augen nur einen sehr kleinen Zugewinn dar.

Geradezu empörend finde ich jedoch, dass ich hier die Unschuldsvermutung wieder einmal durch flächendeckenden, verdachtslosen Einsatz eines Software-Kontrollinstruments kompromittiert wird und die Schulaufsicht und die Schulleiter zu Handlangern im Interesse der Verwertungsgesellschaften werden. Es bedarf zur Durchführung der Kontrolle noch nicht einmal ein Verdacht, geschweige denn einer Anklage, eines Durchsuchungsbefehls oder sonst eines richterlich genehmigten Zugriffs. Zudem müssen die Arbeitsstunden für die Durchsuchung der Rechner von den Behörden und nicht von den Verwertungsgesellschaften bezahlt werden.

Ganz pragmatisch möchte ich an dieser Stelle also noch einmal auf Folgendes hinweisen:

  1. Kopieren aus Büchern etc. bitte nur in dem Umfang, wie es in diesen Broschüren angegeben ist.
  2. Einscannen aus Schulbüchern / Werken für den Unterricht ist NICHT erlaubt.

Mein persönlicher Tipp an alle Kolleginnen und Kollegen und auch meine Hoffnung für die Zukunft:

Verzichtet nach Möglichkeit auf Materialien der Schulbuchverlage und erstellt selbst Material, welches ihr Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stellt. Dieses Material ist entweder ein amtliches Werk, da es in der Arbeitszeit erstellt wurde, oder ihr lizenziert es unter einer Creative Commons Lizenz oder ihr behalte alle Rechte an eurem Material vor, aber selbst dann ist es in der Regel nicht durch die Extra-Regelungen der Verwertungsgesellschaften geschützt, so dass daraus im Sinne einer fairen Benutzung eingescannt und kopiert werden darf.

Langfristig unterstütze ich die Forderung, dass für Schulen und Universitäten die Nutzung von Werken im Sinne eines »Fair Use« grundsätzlich erlaubt sein muss.